Nur kein green business as usual
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- Von Martin Arnold
Die neue EU-Kommission möchte den Green New Deal. Er soll Schwung in die etwas verkrustet EU-Politik bringen. Doch was verbirgt sich hinter diesem Schlagwort und was bedeutet dies für eine nachhaltige Landwirtschaft?
Für sie wäre ein echter green new deal ein Vorteil. Nur: ist er keine Mogelpackung? Bild Martin Arnold
Die Erinnerung des Begriffes Green New Deal erinnert an den New Deal der 1930er Jahre in den USA. Und deshalb löst er gemischte Gefühle aus. Einerseits linderte der New Deal damals die Not des Arbeitslosenheers, anderseits kurbelte er aber auch die Wirtschaft an. Von Nachhaltigkeit vor allem in Bezug auf die Umwelt konnte keine Rede sein. Die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen diente alleine dem Wirtschaftswachstum. Die Zeiten haben sich geändert. Ein Wirtschaftsdeal im 21. Jahrhundert muss auch grün sein. Er ist deshalb komplex und der beschleunigte Klimawandel lässt mehr viel Zeit. Es gilt also, dem Schlagwort Green New Deal einen Inhalt zu geben, der hält, was er verspricht. Eine Schlüsselrolle spielt die Landwirtschaft. Sie könnte positiv auf das Klima und die Biodiversität wirken. Doch heute das Gegenteil ist der Fall. Eine der Protagonistinnen des Green New Deal ist die junge Alexandria Ocasio-Cortez. Die New Yorkerin sitzt im Repräsentantenhaus und engagiert sich für die Umwelt. Sie fordert: „Investitionen in lokal angepasste Landwirtschaft muss ein Teil der neuen Landwirtschaftspolitik sein. Wenn wir es nicht schaffen, von der chemisch intensiven industriellen Landwirtschaft wegzukommen und auf eine gesunde, weniger Fleisch orientierte diversifizierte, organische und ökologische Landwirtschaft zu wechseln, werden wir das Klima-Chaos nicht verhindern können.“ Ist Europa auf dem Weg in diese Richtung? Die neue EU-Kommission und ihre Präsidentin Ursula von der Leyen haben den Green New Deal ebenfalls angekündigt und Eckpfeiler bekannt gegeben. Dazu gehören die Reduktion der Transportemissionen, die Unterstützung von nachhaltiger Energieproduktion, grössere Investitionen in den Umweltschutz, CO2-Abgaben und neben anderen Punkten auch eine Biodiversitätsstrategie und eine „Fram to Fork“ Strategie für nachhaltige Nahrungsmittel. Dass die Kette vom Erzeuger bis zum Verbraucher nachhaltig werden muss, ist ein grosses Ziel mit grossem Interpretationsspielraum. Es geht deshalb in erster Linie darum, „business as usual“ im grünen Mantel zu verhindern und wirklich grundlegende Reformen in der Landwirtschaft anzugehen. Das Buch „Kritik der Grünen Ökonomie“ der Heinrich Böll Stiftung teilt die Befürchtung des business as usual im grünen Mantel. Der Green New Deal setze zu stark auf den Talismann der technologischen Innovation, der es rechtfertigen würde, nur auf eine alle Probleme lösende Erfindung zu warten. Die hätte schon längst kommen müssen. Mit dem Warten auf Verheissungen sind schon schlechte Erfahrungen gemacht worden. Eine solche Verheissung war beispielsweise der auf Zertifikate gestützter Emissionshandel, der 2005 an der Klimakonferenz in Kyoto ins Leben gerufen wurde. Inzwischen gingen 15 Jahre verloren. Das System hat sich nicht bewährt, wird aber wieder diskutiert. Ein „Warten auf Godot“ kann sich die Menschheit nicht mehr leisten. Die Veränderungen müssen jetzt angepackt werden mit den Mitteln, die jetzt zur Verfügung stehen. Der Umbau der Landwirtschaft in eine ökologische Richtung und die Verbesserung der Agrobiodiversität ist jederzeit möglich. Es ist eine Frage der technischen Anreize, der Umleitung von Subventionsgeldern und der Ausbildung der Landwirte.
Zweifelhafte Landwirtschaftsexperten
Im Hitzesommer 2018 mussten alleine die deutschen Bauern mit Dürrehilfe in der Höhe von 340 Millionen Euro unterstützt werden. Der schwierigen klimatischen Aussichten zum Trotz muss die Landwirtschaft immer mehr Menschen ernähren. Deshalb gehe es, wie Timo Kautz, Professor für Agrar- und Gartenbauwissenschaften an der Humbold-Universität in Berlin an einem Workshop von EURACTIV meinte, darum „in Zukunft nicht die Maximalerträge zu steigern, sondern grössere Ertragsstabilität zu erreichen.“ Dies gehe mit Pflanzen, die besser mit trockenen Bedingungen umgehen können. Mit der Erwähnung von anpassungsfähigen Pflanzen sind wir natürlich mitten im Thema der SAVE-Familie. Sie muss sich aber auf weitere künftige agrar-ideologische Auseinandersetzungen gefasst machen. Denn gleichzeitig behauptet eine Studie des Unternehmens PricewaterhouseCoopers (PWC) aus dem Jahr 2016, eine stabile Lebensmittelversorgung könne nur mit hoch technischen Zuchtmethoden, Genom-Editierung und genetischen Veränderungen erreicht werden. Es nützt nichts, zu sagen, PWC passe so gut zu einer nachhaltigen Landwirtschaft wie ein Elefant zum Ballettunterricht. PWC hat seine Anhänger in Politik und Wirtschaft, die jedes veröffentliche Papier für anbetungswürdig halten. Für SAVE und gleichgesinnte Organisationen geht es also darum, zu verhindern, dass der Green New Deal der Landwirtschaft nicht noch mehr Technologie und teure Investitionen auferlegt. Die europäische Agrarpolitik (GAP) ist vielen Interessen ausgesetzt. Es geht um sehr viel Geld für relativ wenige Player. Fast 60 Milliarden Euro fliessen jährlich an Subventionen. Das ist der grösste Posten im EU-Haushalt. Man wolle an einer Destigmatisierung der neuen Techniken bei den Pflanzenzüchtungen arbeiten und halte eine Zukunft ohne Pflanzenschutzmittel für utopisch äusserten mehre Exponenten gegenüber dem Informationsportal EURACTIV. Wie die Nahrungsmittelversorgung in Zukunft sichergestellt werden soll hängt davon ab, wie die EU die GAP 2021-2027 gestalten wird. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) fordert die Abschaffung der Direktzahlungen, sowie Investitionen und Anreize für umweltfreundliches Verhalten. Doch die neue GAP wird an den existenzsichernden Direktzahlungen für die Landwirte festhalten. Es ist in der Praxis aber mehrheitlich eine Politik für eine industrielle Landwirtschaft, die laut Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Martin Hofstetter die Klimakrise und das Artensterben verschärft und jedes Jahr tausende kleine und mittlere Landwirtschaftsbetriebe zur Aufgabe drängt. Das ist aber kein Green New Deal. Konstantin Kreiser, Leiter für globale und EU-Naturschutzpolitik beim Nabu, meint: „Wenn von der Leyen es ernst meint, muss sie den auf dem Tisch liegenden Vorschlag für den neuen GAP einstampfen und einen neuen vorlegen. Sonst verbaut sie sich den Umstieg auf den Green New Deal.“
Timmermanns sucht Antworten
Kommissionsvizepräsident Frans Timmermanns hat nun den Auftrag den Deal mit Leben zu füllen. Der Niederländer sagt, die jetzt auf dem Tisch liegenden GAP-Vorschläge zeigten Lösungen für die Zukunft auf. Er sagt aber auch: „Wir müssen Antworten geben auf die Frage, wieviel Düngemittel, wieviel Pestizid-Eintrag wir brauchen und wieviel Eiweiss-Tierfutter wir selber in Europa produzieren können.“ Um diese Antwort zu finden, will er persönlich mit Landwirten sprechen. Hoffen wir, dass darunter auch Kleinbauern Züchter seltener Rassen und Pflanzensorten zu finden sind.