Politik und Wirtschaft

Wachsende Verwüstung

Rund zwölf Millionen Hektar Grünflächen in Trockengebieten gehen nach Schätzung der UN-Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung (UNCCD) im Schnitt Jahr um Jahr verloren. Der überwiegend auf menschliche Eingriffe zurückzuführende Verlust entspricht der gesamten Ackerfläche Deutschlands. Die UNCCD geht davon aus, dass auf dieser Fläche rund 20 Millionen Tonnen Getreide hätten angebaut werden können. Dadurch müssen die Betroffenen jährlich einen Einkommensverlust in der Gegend von 42 Milliarden US-Dollar hinnehmen.

Wertvolles Ackerland wird auch in afrikanischen Ländern immer häufiger zweckentfremdet. Etwa um Freiraum für den Bau von Häusern zu gewinnen. Bild Veser Durch die „Desertifikation“, wie Verlust von Grünflächen von Experten genannt wird, sind sowohl Afrika und Asien als auch Nord- und Südamerika und die Mittelmeeranrainerstaaten betroffen. UN-Angaben zufolge sind bis zu 3,6 Milliarden Hektar Land durch die Wüstenbildung bedroht, das entspricht einem Viertel der ganzen Landoberfläche der Erde. Gemeint sind damit nicht die natürlichen Wüsten, die es in etlichen Regionen schon seit Jahrtausenden gibt.

Die Gefahr, dass Wüsten entstehen, droht überall dort, wo die jährliche Niederschlagsmenge unter 200 Litern pro Quadratmeter liegt. Wind und Sonne lassen das wenige Wasser dort im Nu verdunsten. Die Tier- und Pflanzenwelt hat sich an diesen Mangel angepasst, auch Ethnien wie etwa die Tuareg in der Sahara oder die Buschmänner der Kalahari können sich dort unter härtesten Bedingungen über Wasser halten. Die fortschreitende Desertifikation in trockenen Gebieten hat mehrere Ursachen. Einer der wesentlichen Faktoren ist die Rodung von Büschen und Bäumen, um neue Felder anzulegen und Brennholz zu gewinnen. Die langlebigen Pflanzen mit ihren Wurzelsystemen verhindern die Bodenerosion. Auf diese Weise sorgen sie dafür, dass fruchtbares Erdreich nicht vom Wind verweht oder durch Wassergüsse weggeschwemmt wird.

Fehlen diese Gehölze, so schützt oft eine Gras- und Kräuterdecke den Boden. Diese jedoch wird von ständig wachsenden Viehherden immer häufiger weggefressen. Bei fortschreitender Desertifikation ändert sich die Zusammensetzung der Vegetation. Rinder, Ziegen und Schafe haben immer grössere Mühe, nahrhaftes Futter zu finden. Die Pflanzendecke schrumpft und schliesslich liegt der Boden frei. Er verliert seinen Halt und trocknet schnell aus. Eine zurückgegangene Vegetation kann nicht mehr so viel Wasser abgeben und damit gelangt weniger Wasser in die Atmosphäre. Mit fatalen Folgen: Die Luftfeuchtigkeit geht zurück, es fällt weniger Regen. Allmählich verändert sich das lokale Klima der betroffenen Region und das Grün weicht dem Staub. Damit setzt sich der Teufelskreis fort. Weniger Kulturflächen zwingen die Bewohner zu einer intensiveren Bewirtschaftung. Die überstrapazierten Böden erlauben immer geringere Ernten, neue Flächen müssen her. Und damit setzen sie ihr eigenes Überleben aufs Spiel. In der Tat haben sie wenig Spielraum für ihre Entscheidungen: Eine wachsende Bevölkerung braucht Kulturflächen und rodet deshalb immer mehr Wald, um Felder anzulegen, an Brennholz zu gelangen und Weidefläche für die Viehherden zu schaffen. Einen wesentlichen Anteil an der Verschärfung der Situation haben ausländische Investoren, die in diesen Regionen im grossen Massstab Land erwerben. Je ärmer die Bevölkerung wird, desto schneller schreitet die Desertifikation voran. In früherer Zeit hatten zahlreiche Landnutzer in den Trockenregionen Strategien entwickelt, um Vegetation und Böden wirkungsvoll zu schützen. Die im Hohen Atlas Marokkos lebenden Nomaden etwa trieben früher ihre Herden je nach Jahreszeit zu Weideplätzen auf unterschiedlichen Höhenlagen. Im Sommer hielten sie sich weit oben im Gebirge auf; wenn es im Winter dort nicht genügend Nahrung gab, hielt man sich im Tal auf. Zudem war festgelegt, dass bestimmte Sommerweideplätze während der Wachstumsphase der Vegetation nicht benutzt werden durften, damit sie sich erholten. Solche traditionellen Methoden werden heute nicht mehr so häufig angewandt. Im Hohen Atlas wächst die Bevölkerung ebenfalls, ausserdem entstehen dort Skiressorts, die auf Kosten der Landfläche gehen. Zudem zeichnet sich ab, dass viele Nomaden mit ihrem anstrengenden Lebensstil nicht mehr besonders glücklich sind. Sie werden sesshafter – das lässt sich nicht nur im Norden Afrikas beobachten, auch die halb-nomadisierenden Massai in Kenia können den mühsamen Migrationen immer weniger positive Seiten abgewinnen. Erosionsspuren verdeutlichen schon heute, dass die Weideflächen überstrapaziert werden. Die Viehhaltung wirft immer weniger ab, und das veranlasst die Menschen, ihr Heil in den Städten zu suchen und sich dort etwas hinzuzuverdienen. Das schicken sie dann ihren Angehörigen in den Bergdörfern. Und damit stehen soziale Spannungen ins Haus: Zwischen jenen Familien, die ein Zusatzeinkommen erhalten und ihren Nachbarn, die sich aus eigener Kraft durchschlagen müssen.

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