Menschenrechte

«Es mangelt nicht an Arbeit, es mangelt an der Bereitschaft, Arbeitsplätze zu schaffen.»

„Das Metallprogramm, ein Grundkurs in der Metallverarbeitung, dauert etwa neun Monate oder 110 Arbeitstage zur Erreichung eines Zertifikates mit Abschlussprüfung. Gearbeitet wird dabei effektiv 15 bis 17 Stunden pro Woche, mit einer täglichen Präsenzzeit von 2,5 - 6 Stunden. Das hängt davon ab, ob die jungen Flüchtlinge die Gewerbliche Berufsschule besuchen oder nicht. Das Ziel ist die Befähigung für eine Praktikumsstelle oder einen Ausbildungsplatz. Mir geht es nicht nur um die Metallverarbeitung selbst, sondern auch um Grundsätzliches rund ums Handwerk, etwa eine technische Zeichnung zu verstehen und anzufertigen, und um soziale Aspekte in der Werkstatt.

Die Leistungsfähigkeit der Jugendlichen ist sehr unterschiedlich und abhängig von deren physischer und psychischer Verfassung. Grundsätzlich ist das Interesse und die Bereitschaft, zu lernen, sehr gross. Viele sind ausgesprochen vergesslich, sie können sich nur schlecht konzentrieren. Etwas kompensieren lässt sich dies mit einem wohlwollenden Umgang und viel Verständnis. Wichtig für die Jugendlichen ist, dass ich immer für sie da bin. Diese Verlässlichkeit gibt ihnen Halt und schafft Vertrauen. Natürlich werde ich damit auch als eine Art Vaterfigur angesehen, und so kommen oft sehr persönliche Dinge zur Sprache. Andererseits muss auch immer das Verhältnis zu Nähe und Distanz klar sein, und dass ich diese Rolle nur auf Zeit habe. Die innere Befindlichkeit lässt sich manchmal aus den Arbeiten ablesen: das Flüchtlingsschiff, das einer nachgebaut hat, ein Traumhaus, das noch ganz die Züge der Heimat trägt. Es gibt grosse sprachliche Hürden, was regelmässig zu Missverständnissen führt. Das setzt in der Ausbildung klare Grenzen. Wir verständigen uns zwar durchaus mit Gesten oder Vorzeigen am Objekt, und die Jugendlichen rufen mich, wenn etwas unklar ist. Aber sehr weit kommt man damit nicht. Wer weiterkommen will, braucht die deutsche Sprache.

Die Chancen, Arbeit zu finden, sind grundsätzlich gut. Es mangelt nicht an Arbeit, sondern an der Bereitschaft, Arbeitsplätze zu schaffen, die weniger hohe Qualifikationen erfordern, zum Beispiel auf Werkhöfen, in der Abfalltrennung, ganz allgemein im Bereich Infrastruktur. Es geht um einfache Jobs, die den Einstieg erleichtern. Weiter ist die behördliche Administration, etwa, wenn es um Arbeitsbewilligungen geht, eine grosse Hürde für potenzielle Arbeitgeber. Ebenso gibt es grosse Berührungsängste gegenüber Asylsuchenden. Wenn dann auch nur das Geringste schief geht, die Leute unpünktlich zur Arbeit erscheinen, sind die Vorurteile bestätigt und die jungen Leute werden zu Sündenböcken gemacht. Integration beruht auf Gegenseitigkeit. Oft haben Handwerker negative Bilder im Kopf, wenn es um eine Arbeitsstelle für Asylsuchende geht. Auch ich musste dazulernen und diese Bilder neu malen.“

Aufgezeichnet von Urs Fitze

Jost Holdener, Gelernter Metallbauschlosser und Schmied, eidg. dipl. Arbeitsagoge und Ausbilder mit eidgenössischem Fähigkeitsausweis, hat nebst seiner früheren Tätigkeit in der Wirtschaft, in Werkstätten mit geistig und körperlich handicapierten Menschen gearbeitet, immer mit Jugendlichen, von 2012 bis September 2017 leitete er zusammen mit einem Arbeitskollegen das Metallprogramm für Jugendliche im Asylzentrum Thurhof in Oberbüren, seit Oktober 2018 ist er in Pension.

Ähnliche Beiträge

Keine ähnlichen Beiträge gefunden