Landwirtschaft

Kartoffeläcker im Hochgebirge

Weil im mittelasiatischen Tadschikistan Ackerland knapp ist, hängt das Land stark von Lebensmittelimporten ab. Die Entwicklungen im Nordwesten zeigen jedoch einen möglichen Ausweg auf.

Dass Handel und Gewerbe in der Landschaft Pandschakent an der ehemaligen Seidenstrasse einstmals florierten, das lässt sich bis heute nicht übersehen. Prächtige Wandgemälde aus vorislamischer Zeit bezeugen den Wohlstand des versunkenen Handelsortes an der ehemaligen Seidenstrasse im nordwestlichen Zerafshan-Tal.

Pandschakent heisst auch der moderne Hauptort des gleichnamigen Distrikts, in dem knapp eine Viertelmillion Menschen leben. Gut 70 Prozent arbeiten in der Landwirtschaft. Das im Schnitt 900 Meter hohe Tal hat gute Böden, die Ackerbau, Viehzucht und Obstkulturen ermöglichen.

Nur fünf Prozent Fläche für Bauern

Landwirtschaftlich übernimmt die Gegend damit eine Schlüsselrolle. Als kleinstes Land Zentralasiens ist Tadschikistan überwiegend gebirgig, Landwirtschaft kann lediglich auf fünf Prozent der Gesamtfläche betrieben werden. Das würde zwar ausreichen, damit sich das etwa acht Millionen zählende mittelasiatische Land aus eigenen Kräften mit Nahrungsmitteln versorgen könnte.

Dennoch muss Tadschikistan über die Hälfte der benötigten Lebensmittel importieren. Bis 1991 wurden die Tadschiken mit Nahrung aus anderen Republiken versorgt. Landesweit gab es damals etwa 600 Sowchosen genannte Staatsfarmen, in denen die Bauern ihre Ernten ablieferten.

 
An jene Zeiten erinnern am Stadtrand die zerfallenden Backsteingebäude einer ehemaligen Kolchose (Gemeinschaftsfarm), die nach Karl Marx benannt war. In den besten Jahren hatte man dort bis zu 700 Rinder gezüchtet. Futter gab es genug, zumal die Hirten mit ihren Tieren auch Weidegründe auf usbekischem Gebiet nutzen konnten. Seit 2010 ist die Grenze jedoch mit einem bewachten Metallzaun abgeriegelt.

Aus dem Westen stammende Touristen, die während ihres Aufenthalts in Samarkand Tagesausflüge ins Nachbarland unternahmen, gehören nun ebenso der Vergangenheit an wie tadschikische Bauern, die auf usbekischen Märkten Kartoffeln und Früchte feilboten.

Die unendliche Landreform

Seither müssen die Bauern im eigenen Land nach Absatzmöglichkeiten Ausschau halten. Im Verlauf der 1991 begonnenen und immer noch nicht abgeschlossenen Landreform erhielten die einstigen Staatsangestellten sogenannte Dekhan-Farmen. Diese werden je nach Grösse entweder von einer einzigen Familie oder gemeinsam durch mehrere Familien bewirtschaftet.

 

Makhmut Zoirow , einst Angehöriger der Karl-Marx-Kolchose, bearbeitet Felder auf einer fünf Hektaren umfassenden Fläche, die sich drei Familien teilen. Wie die meisten Landwirte zieht er Gemüse, darunter Gelbe Rüben, Tomaten, Zwiebeln, Kartoffeln und Paprika sowie diverse Kräuter.
 
«Als Kolchosnik ging es mir richtig gut», erinnert er sich wehmütig. Damals gab die Leitung der Kolchose jedem Angehörigen ein Soll vor. «Dafür erhielten wir monatlich ein festes Gehalt, um mehr mussten wir uns nicht kümmern. Zudem konnte ich meinen Hof zur Selbstversorgung behalten.» Diese einstige Sicherheit vermisse er heute. Makhmut Zoirow erlebte den Aufbruch in die Marktwirtschaft als eiskalte Dusche. Vor allem die Suche nach Kunden habe ihm Mühe bereitet.

Unterschiedliche Erfahrungen mit der Markwirtschaft

Tadschikistan © T. Veser

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

«Die meisten Leute waren damals knapp bei Kasse, das drückte die Preise, ausserdem war ich mir nicht sicher, auf welche Produkte ich setzen sollte», bekennt er. Gegenwärtig muss er den grösseren Teil seiner Ernte wohl oder übel Mittelsmännern überlassen, die Märkte in der Hauptstadt Duschanbe beliefern. Den Rest kann er zu besseren Preisen auf seinem Hof absetzen, denn «inzwischen habe ich wenigsten einige Stammkunden gewonnen», fügt er hinzu. Er schätzt den Anteil der Landwirte, die selbstständig sein wollen, auf höchstens 20 Prozent ein. «Die Übrigen wären doch damit zufrieden, als Angestellte einen sicheren Monatslohn zu beziehen», meint er.

Vier Jahrzehnte lang hatte sein Partner Farkhot Bobojew (65) der Kolchose als Traktorist die Treue gehalten. Sein Gemüse verkauft er heute überwiegend in der Markthalle von Pandschakent und ebenfalls an Kunden, die sich zu ihm begeben. Er weint den «alten Strukturen», wie er sich ausdrückt, keine Träne nach. «Jetzt ist es besser, die Regierung hat uns Land gegeben, wir bestimmen selbst, was wir anbauen», bekräftigt Farkhot Bobojew, der mit den Herausforderungen als Unternehmer offenbar besser klar gekommen ist. Er fährt sehr gut mit seiner Gemüse- und Bauschule und züchtet dort unter anderem Apfelbaumsorten und Haselnusssträucher, die sich problemlos absetzen lassen.

«Nach dem Zusammenbruch des alten Systems waren neue Arten der Landbewirtung gefragt», erklärt Zafar Norov von der deutschen Welthungerhilfe (dwhh), die den Bauern mit Rat und Tat zur Seite steht. So mussten sie sich mit der Technik des Fruchtwechsels vertraut machen und lernen, wie man Obstbaumkulturen fachmännisch pflegt. Darum kümmerten sich früher russische Experten, die mittlerweile jedoch überwiegend in die Heimat zurückgekehrt sind. «Die meisten Bauern hatten lediglich das Grundwissen, das für die Bewirtschaftung der eigenen Gärten ausreichte», betont Zafar Norov.

Mehr Kartoffeln und Reis



Nahrungsmittel, wie die Kartoffel, haben unterdessen an Bedeutung gewonnen. Die Knollenfrucht erweist sich in 2000 Metern Höhe als resistenter gegen Viren und sichert reichere Ernten als in tieferen Lagen. Die Förderung des Reisanbaus lieferte den Stoff für die nächste Erfolgsgeschichte. «Reis verdrängt allmählich Weizen und Tabak», bekräftigt Dilovar Sherali, Leiter der Reisforschungsstation. Sein Team hat eine Variante entwickelt, die den klimatischen Bedingungen in diesem Landesteil – heisse Sommer und extreme, schneereiche Winter – gut gewachsen ist. Fand der Reisanbau früher auf 1500 Hektaren statt, liegt die Fläche nun bei 11 000 Hektaren, wobei der Hektarertrag verdreifacht werden konnte. Der bereits abgeschriebene Anbau von Tabak wird neuerdings wieder forciert, da ein türkisches Unternehmen im Zerafshan-Tal eine Fabrik bauen will.

Geschicktes Wassermanagement

Gelingen kann das nur mit genügend Wasser. Daran herrscht im Zerafshan-Tal kein Mangel. Zwar fällt wenig Regen, dafür gibt es ausreichend Gletscherwasser, das nach Art der Walliser Suonen in offenen Gräben gesammelt und dann in Kanäle weitergeleitet wird.

Allerdings stammt das Bewässerungssystem aus sowjetischer Zeit. Mehr schlecht als recht in Schuss gehalten, lässt sein Betrieb durch die zuständige Behörde einiges zu wünschen übrig. Deswegen bildeten sich in den letzten Jahren private Wassernutzervereinigungen. Diese halten die Anlagen in Schuss und sorgen dafür, dass alle Farmer die benötigten Mengen verlässlich erhalten.

Das sichert den Bauern bessere Ernten. Und den Teams, die nach den gelieferten Wassermengen bezahlt werden, dank gestiegener Mitgliederbeiträge höhere EinnahmenTadschikistan

 

Schweiz beteiligt sich an Gesundheitsreform

Mit Abstand ärmstes Land Zentralasiens verzeichnet Tadschikistan, das gleich viele Einwohner hat wie die Schweiz, die höchste Kindersterblichkeit verglichen mit den übrigen Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Gut die Hälfte der Bevölkerung gilt dem Welternährungsindex zufolge als «ernsthaft unterernährt». Der Wegfall der kostenlosen Gesundheitsversorgung, wie sie in der UdSSR üblich war, verursachte im Gesundheitssektor eine Dauerkrise, worunter besonders die Landbevölkerung leidet. Das kostspielige, stark auf Spitäler ausgerichtete System, in dem Vorsorge und Familienmedizin eine Randrolle zukommt, soll bis 2020 durch eine flächendeckende Gesundheitsversorgung für alle ersetzt werden. Daran beteiligt sich neben der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (giz) auch die Schweiz, die sich vorrangig mit Familienmedizin, Hygiene und der Aus- und Fortbildung des Gesundheitspersonals beschäftigt. Umgesetzt werden die Vorhaben in mehreren Landesteilen vom privaten Aga-Khan-Entwicklungsnetzwerk (akdn) mit Sitz in Genf. An seiner Spitze steht Karim Aga Khan IV., spirituelles Oberhaupt der schiitischen Ismaeliten.

 

 

 


Alle Bilder © T. Veser