Landwirtschaft

Wenn der Pflanzendoktor kommt

Szenen aus der demokratischen Republik Kongo:  Eine Strassensanierung auf neun Kilometern hat der ostkongolesischen Randregion den landwirtschaftlichen Aufschwung ermöglicht.

Vulkane, Wälder, Nebel und Stille – das sind die Merkmale der tiefgrünen und kaum besiedelten Landschaft der Provinz Nord  Kivu im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Am Rande des Virunga-Nationalparks an der Grenze zu Uganda lebt man überwiegend von der Landwirtschaft. Der fruchtbare, mit Vulkanasche gedüngte Boden und das gemässigte Klima auf durchschnittlich 1700 Metern Höhe bieten dafür die besten Voraussetzungen. Kakao, Ölpalmen, Bananen, Papaya, Kaffee, Vanille, Reis und sogar Kartoffeln gedeihen dort prächtig. Während diese Produkte auf den Märkten feilgeboten oder von Aufkäufern erworben werden, behalten die Bauern Getreide und Gemüse überwiegend für den Eigenbedarf.

Land ohne Frieden

Man könnte also ganz gut über die Runden kommen in diesem Landesteil der ehemaligen belgischen Kolonie. Sie ist mit 2,3 Millionen Quadratkilometern fast so gross wie Westeuropa. Dennoch haben die Menschen in den Städten und Dörfern ein schweres Los, denn auch nach Beilegung der Kongokriege (1996-2009) ist in Nord Kivu alles andere als der lang ersehnte Frieden eingekehrt. Rebellengruppen, Diebesbanden und selbst Einheiten der kongolesischen Armee bringen mit ihren nächtlichen Überfällen Angst und Schrecken über die Einheimischen. Dass in der Gegend um die Kleinstadt Beni der Staat abwesend ist, sieht man bereits der erbärmlichen Infrastruktur an. Nach asphaltierten Strassen hält man vergeblich Ausschau. Es gibt höchstens Erdpisten, für deren Pflege sich keine Behörde verantwortlich fühlt.

Nur etwa 60 Kilometer trennen die Ortschaft Mwenda von Beni, die Fahrt dorthin hat jedoch früher viel Zeit und starke Nerven verlangt. Der letzte Streckenabschnitt mit seinen tiefen Löchern und gefährlichen Furchen schreckte noch vor einiger Zeit selbst abgebrühte Chauffeure ab. Eine geschlagene Stunde dauerte es, eine Distanz von neun Kilometern zurückzulegen, und das war überhaupt nur in der Trockenzeit möglich. Denn in Regenzeit sind diese Pfade für Fahrzeuge unpassierbar. 

Auf dem Markt

Anbauen nur für den Eigenbedarf

Harte Zeiten für Mwendas Bäuerinnen, die traditionellerweise mittwochs auf dem Markt ihre Waren anbieten. Und auch die Aufkäufer, die grössere Mengen an landwirtschaftlichen Produkten hätten erwerben können, wollten sich die strapaziöse Fahrt nicht mehr antun. Wesentlich mehr als für den Eigenbedarf anzubauen, machte für die Familien wenig Sinn. Wer sollte es auch kaufen?

Forderung nach vernünftigen Strassen

Seit über einem halben Jahrhundert unabhängig, verfügt die Demokratische Republik Kongo über weniger Strassenkilometer als die belgischen Kolonialherren beim Abzug hinterlassen hatte. Auch die Sektoren Gesundheit, Bildung und Soziales des 71 Millionen Einwohner zählenden Landes sind kaum entwickelt. Miserable Verkehrsverbindungen behindern den Wirtschaftsaufschwung. Randregionen wie Nord Kivu bekommen das besonders stark zu spüren. Auf den Fall Mwenda war die Deutsche Welthungerhilfe (dwhh) aufmerksam geworden. „Wenn die Landwirtschaft blühen soll, müssen zunächst vernünftige Strassen her“, erläutert dwhh-Mitarbeiter Georges Hounga. Man konzentrierte sich auf das etwa 500 Quadratkilometer grosse Gebiet um Beni, wo eine Hochwasserkatastrophe 2011 zudem gewaltige Schäden angerichtet hatte.

Nach willigen Arbeitskräften für die Strassensanierung musste das Hilfswerk nicht lange suchen. Sie stammen aus den Dörfern nahe des Virunga-Parks und erhalten für einen 20tägigen Einsatz pauschal umgerechnet 56 Franken. In einer an Bargeld armen Gegend hat sich das nicht zuletzt für die kleinen Geschäfte als Glücksfall erwiesen.

Das Ende der Isolation

Heute nimmt die Fahrt auf der gründlich erneuerten und in Schuss gehaltenen Erdpiste nach Mwanda eine Viertelstunde in Anspruch. Der frühere Kundenmangel gehört offensichtlich der Vergangenheit an, mittwochs ist der Markt gut besucht. Auch die mittelständischen Unternehmen der Region, die Agroprodukte aufkaufen, haben wieder den Weg in den einst unfreiwillig isolierten Ort gefunden. 

Seit einiger Zeit steht den Bauern eine Reisschälanlage zur Verfügung, zudem wurden acht Betondepots erbaut. Drohen bei üppigen Ernten tiefe Preise, müssen die Landwirte ihre Waren nicht wie früher wohl oder übel abstossen, sondern können den nicht verkauften Teil einlagern. Und darauf warten, dass bei schwächeren Ernteerträgen die Preise wieder anziehen. Im Schnitt verfügen die Familien über eine gepachtete Kulturfläche von fünf Hektaren, oftmals auf mehreren Parzellen verteilt. Viehzucht ist selten in diesem Landesteil, bestenfalls hält man sich Geflügel und dafür gibt es einen guten Grund: Schon zu häufig mussten die Menschen hilflos mit zusehen, wenn Rebellen bei ihren Plünderungen auch die Tiere mitgenommen hatten.

Die Pflanzendoktoren

Fragen an den Pflanzendoktor

Besonders schätzen die Menschen den Beratungsdienst, den zwei junge „Docteurs des plantes“ kostenfrei anbieten.  Der 26jährige Diplomlandwirt Eddy Nganzi  ist einer von ihnen. Inmitten einer dichten Menschentraube um seinen Stand informiert er wort- und gestenreich über die einzelnen Krankheiten, die beispielsweise Kaffeesträucher, Bananenstauden, Kakaofrüchte und Maniokwurzeln bedrohen. Das interessiert die Besucher brennend, sie überhäufen ihn mit Fragen. „Eine Bekämpfung mit chemischen Mitteln, also etwa mit Pestiziden, das ist hier nicht weit verbreitet, sieht man einmal von den für den Verkauf  bestimmten Früchten ab“, führt er aus. Sind Kulturen bedroht, genüge es in vielen Fällen, die befallenen Pflanzen zu eliminieren und Arbeitsgeräte richtig zu desinfizieren.  Manchmal leisteten althergebrachte biologische Gegenmittel gute Dienste, etwa ein aus Chili und Tabakblättern zusammengebrauter Sud als natürliches Insektizid, verrät er. 

Bio aus Ostkongo auch in der Schweiz

Zu den edelsten Produkten der Region zählen Vanille, Kakao und Birdeye-Chili. Sie nach biologischen Richtlinien herzustellen, das haben sich die mittlerweile 600 Landwirte der Erzeugergemeinschaft „Le Jardin“ vorgenommen. Jedes Jahr entstehen auf diese Weise 40 Tonnen Kakao und drei Tonnen Vanille. Nach der Trocknung bleibt von sechs Kilogramm frisch geernteter Vanille ein Kilogramm übrig. Bislang haben erst 15 Prozent der Hersteller auf  Bio umgesattelt.

Trotzdem gibt sich Eddy Hangi, der für den Bio-Sektor verantwortlich zeichnet, zuversichtlich. Vier europäische Zertifizierungsstellen beschäftigen sich mit den Produkten aus Nord  Kivu, darunter das das Institut für Marktökologie in Weinfelden (IMO), das sich in der Trägerschaft der Schweizer Bio Stiftung befindet. Seit 2008 sind die drei Erzeugnisse zertifiziert, Bio aus dem Ostkongo gibt es demnach auch in der Schweiz.

 

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