Lara über Heimat und fremd sein

Heimat ist für Lara Kroha ein recht dehnbarer Begriff, da sie die ihre vor einem halben Jahr verlassen hat. Ist Heimat noch dasselbe wie vor dem Umzug? Und für was steht Heimat allgemein bei ihr? Fragen, die es zu beantworten galt.

 

Im Sommer 2016 ist sie in die Schweiz gezogen, weil ihre Mutter gestorben ist, hat die altbekannte Heimat hinter sich gelassen. Auf die Frage, was sie sich sehnlicher zurückwünscht, ist die Antwort klar. „Ich würde mir auf jeden Fall meine Mutter zurückwünschen. Ich denke, ich bin, wenn es um Orte geht, eher weniger heimatverbunden. Heimat ist für mich eher ein Gefühl, Heimat hat mit Menschen zu tun.“ Heimat ist für Kroha dort wo Menschen sind die sie verstehen,die auch an schlechten Tagen da sind. Aber auch Schauplätze alter Erinnerungen symbolisieren Heimat. Wenn sie beispielsweise den Park in ihrem alten Dorf sieht, kommen Erinnerungen an frühere Zeiten auf, verknüpft mit einem Heimatgefühl. Mit der alten Heimat verbindet sie weniger Farben, Gerüche oder Klänge. Lebhaft im Gedächtnis geblieben sind jedoch unter anderem die Thüringer Essgewohnheiten. „Die Menschen dort essen viel mehr als hier in der Schweiz!  Sobald man aufgegessen hat bekommt man sofort wieder Essen auf den Teller. Wenn man nicht aufisst, dann haben die Leute dort das Gefühl, es sei nicht gut gewesen. Das ist einer der Dinge, die ich nicht mag an meiner alten Heimat.  Sie geniessen das Essen dort sehr, das Schlachtfest war für meine Grosseltern und meinen Stiefvater der schönste Tag im Jahr.“ Sind Traumheimat und Traumreiseziel bei ihr dasselbe? Am Beispiel Kanada erklärt Kroha, dass ihr Traumreiseziel wohl kaum auf Dauer ihre Traumheimat sei.  Sie wäre lieber auf Reisen. Aber seine Reize hätte es durchaus, in Kanada zu wohnen. „Ich finde die wilde Natur dort sehr interessant, ich will sehen wie die Menschen sich mit ihr arrangieren. Ich will Herausforderung.“ Allgemein suche sie für ihre Zukunft Herausforderung, will nicht jeden Tag dasselbe sehen, dasselbe machen. Sie möchte lieber ihre eigenen Grenzen austesten. „Das ist auch der Hauptgrund, warum ich nicht auf die Kantonsschule will. Jetzt bin ich seit fast 8 Jahren in der Schule, weiss wie eine Unterrichtsstunde aussieht, was in einen Aufsatz reingehört und welche Noten man zuhause nicht so gern zeigt. Das alles hab ich jetzt gesehen. Mit einer Lehre will ich endlich mal was Neues anfangen.“ Für diesen Plan sei das System der Schweiz geradezu perfekt. Die nächste Frage bezieht sich dann auf einen ganz anderes Thema im Bezug auf Heimat: Mitglieder der AFD oder der PEGIDA beharren darauf, dass Deutschland nur für Deutsche ist. Ist Lara Kroha derselben Meinung? Nein, grundsätzlich vertrete sie diese Meinung nicht. „Ich verstehe ein bisschen, das diese Leute das Gefühl haben Deutschland sei nur für Deutsche. Denn schliesslich haben die Deutschen dieses Land aufgebaut und zu dem gemacht, was es jetzt ist, haben sich einen gewissen Stolz erarbeitet. Dass die Deutschen ihr Land auf einmal mit so vielen anderen teilen müssen gefällt freilich nicht jedem. Aber auch wir Deutschen müssen uns anpassen, wir sind schliesslich nicht in der Nachkriegszeit. Es ist nicht Deutschland gegen alle, wir können und müssen uns nicht verbarrikadieren in unserem Land. Deutschland ist erwachsen geworden, und so sollten sich die Deutschen auch benehmen. Wir Deutschen werden überall nett aufgenommen, doch bei uns soll niemand rein? Das ist kaum vertretbar.“ Die Türkei sei ein gutes Beispiel, sagt sie. Schon lange sei die Türkei bei den Deutschen ein beliebtes Reiseziel, Hotels würden, unter anderem für deutsche Touristen, errichtet werden. Direkt daneben würden Türken mit ihren Familien wohnen, die auf dem Markt ihre Waren an die deutschen Touristen verkaufen können. „Sie lassen uns in ihr Land, weil der Tourismus inzwischen ein wichtiges, finanzielles Standbein geworden ist. Auch wenn man es nicht direkt vergleichen kann, aber warum sollen wir sie nicht in unser Land lassen? Die Menschen, die von Krisengebieten zu uns kommen, brauchen natürlich am Anfang Hilfe. Aber wenn sie nach ein paar Jahren allein hier leben können, profitieren wir Deutschen von ihnen. Wieso sollen sie keine Chance dazu bekommen?“  Kroha kann sich genauso gut vorstellen, dass eine gläubige Muslima  Deutschland als ihr Heimatland sieht wie sie selbst. Kulturelle Hintergründe haben für sie eher weniger mit Heimat zu tun. „Wo die eigene Heimat ist, hat vor allem mit der persönlichen Einstellung zu tun. `Ich bin Deutscher`, das sagt man nicht einfach so. Denn wenn man stolzer Albaner ist, dann steht man auch dazu. Wenn man Nationalstolz hat, vertritt man ihn auch. Und wenn eine Muslimin sagt, sie sei Deutsche, dann glaube ich ihr das.“ Deswegen sollte sich Lara Krohas Meinung nach  auch ein Ausländer in Deutschland wohl fühlen können. „Ich bin hier in der Schweiz genau so eine Ausländerin wie eine Iranerin in Deutschland. Ich wurde hier herzlich aufgenommen. Wenn mich jemand fragt, ob ich Schweizerin bin, ich könnte glatt mit ja antworten. Hier gefällt es mir, und so sollte es jedem anderen Ausländer auch gehen. Wir müssen aufhören, irgendein Land für besser zu halten als das andere. Ausländer sollten sich wohlfühlen dürfen, überall auf der Welt. Heimat kann überall sein, Heimat ist ein Gefühl, eine Lebenseinstellung, etwas das auf der ganzen Welt einen Platz finden kann. Denn die Welt ist für alle da.“